Seppy's Blog

Unsere Omama benimmt sich manchmal sehr eigenartig.
Begonnen hat alles wie aus heiterem Himmel. Anfangs war es nur ein leichter Wind, aber urplötzlich hat es ganz arg zu donnern begonnen. Es hörte sich an, als würde irgendwer Steine auf die Erde herunter werfen.

Dann hab ich’s gesehen, es waren große weiße Bälle, die auf die Wiese, Sträucher, Bäume und Blumen, und mit lautem Gekrache auch auf unser Haus geprasselt sind. Der Lärm wollte nicht aufhören und irgendwie hat es ausgesehen, als würde jemand da oben eine Eisballschlacht machen. Omama wurde ganz bleich und sagte, dass sie so große Hagelschloten noch nie in ihrem Leben gesehen hat.

Das ganze Spektakel hat nur kurz gedauert, aber was dann kam, werd’ ich wohl nie vergessen. Als die Luft rein war, und das war sie ja dann in echt, da haben wir uns ganz vorsichtig aus dem Haus gewagt und Nachschau gehalten. Es war fast wie im Winter, überall lagen Eis- und Schneekugeln. Äste, Blätter und Dachziegel waren über die Wiese verstreut. Im Garten war alles kaputt, nur eine einzelne reife Erdbeere konnte Omama retten.

Als ich noch ganz entsetzt das ganze Dilemma betrachtet hab’ und im ersten Schreck gar nicht wusste, was ich zu Omama sagen oder wie ich sie trösten sollte, hat sie mich zurück ins Haus gestupst, mir die Erdbeere in den Mund gedrückt und gefragt,  “Was fühlst du?“, dann hat sie sich herumgedreht, als wollte sie tanzen, und mich aufgefordert, ich soll springen und singen. „Was spürst du?“ hat sie wieder gefragt.  Hmmm... die Erdbeere war gut, ich kann hüpfen, ich kann meine Stimme hören? „Und jetzt schau mich an, Seppy, was siehst du?“

Ich mag unsere Omama sehr, aber jetzt kommt sie mir schon ein bissl eigenartig vor. Während ich sie noch fragend anschau’, meint sie „Seppy, wir können hören, fühlen, sehen, wir sind gesund und wir haben uns. Das ist es, was wirklich zählt im Leben.“

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 04.07.2021