Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
21.03.2021

Der Duft der Buschwindröschen

Der Frühling ist endlich da und alles beginnt zu wachsen und zu blühen. Ich hab’ gelbe Schlüsselblumen gefunden und sogar schon ein paar Veilchen, die duften voll gut. Und ganz viele Buschwindröschen hab’ ich gesehen. Ein paar davon hab’ ich für Omama gepflückt, um ihr eine Freude zu bereiten. Aber dann ist es passiert.

Omama hat die Blumen ins Wasser gegeben und daran geschnuppert. Auf einmal war sie ganz still, hat irgendwie die Augen verdreht, sich auf den Sessel plumpsen lassen und leise zu seufzen begonnen. Ich hab’ mich natürlich sofort auf sie gestürzt, sie beatmet und eine Herzmassage gemacht, so wie ich es im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hab’. Da ist sie urplötzlich aufgesprungen und hat gerufen: „Seppy, mir geht es gut, du brauchst mich nicht wiederbeleben!“ Mehr als ein „Aber ....“ konnte ich darauf nicht sagen, denn schon kam Omamas Erklärung.

Sie hat erzählt, dass sie als kleines Mädchen jedes Jahr am allerersten Frühlingstag mit ihren Eltern einen Frühlingsspaziergang gemacht hat, und dass sie dabei immer ein Sträußerl duftende Buschwindröschen mitnehmen durfte. Und  jedes Mal wenn sie heute diesen Duft spüren kann, fallen ihr diese alten Zeiten ein. „Weißt du Seppy“, hat sie gesagt, „Gerüche können so wunderbare Erinnerungen auslösen, es tauchen viele verloren geglaubte Kindheitserinnerungen auf. Wir können richtig fühlen wie es uns damals ergangen ist. Wenn ich heute den Duft der Buschwindröschen spür’, denk’ ich an diese längst vergangenen Tage und an die Zeit, als noch so viel Zukunft vor mir gelegen ist. Dieser Geruch wird für mich immer die Erinnerung an eine wunderbare Zeit sein und an die Gewissheit, dass ich geborgen bin und dass alles gut wird. Und das macht mich glücklich. Seppy, vergiss nie, es ist die Macht der kleinen Dinge, die uns Glück verschafft.“

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 21.03.2021