Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
16.01.2022

Das Sorgenpüppchen

In unserem Puppentheater zu spielen, macht uns viel Spaß, und manchmal geht’s ordentlich rund. Als es kürzlich besonders turbulent war, bin ich gestolpert und hab’ mir ein Ohr abgebrochen.

Das ist weiter nicht schlimm, das Ohr kann locker wieder angeklebt werden. Aber bis dahin muss man sich beim Zuhören halt eine Hand hinter’s Ohr halten, damit man alles verstehen kann. Dabei ist das Zuhören so wichtig, sagt unsere Omama, und richtig zuzuhören ist sowieso eine Kunst, die nicht jeder kann. Manche hören einem zu, wollen aber gar nicht verstehen, was man sagt, und sie schielen mit einem Auge schon wieder aufs Handy oder sonst wo hin. Andere wiederum hören ganz genau zu, weil sie dir Geheimnisse entlocken wollen, oder sie sind bloß neidisch, wenn du voller Freude was Schönes erzählst, das du erlebt hast. Kaum jemanden kümmert es aber wirklich, was dich grad bewegt oder wie es dir geht. Manchmal braucht man aber schon dringend jemanden, dem man was Wichtiges erzählen kann. Ich mag nicht immer Omama alles sagen, sie hat selber genug um die Ohren.

Da hab’ ich mir halt ein kleines Püppchen gebastelt, ein Sorgenpüppchen. Dem kann man nämlich alles erzählen, es hört zu und erzählt nichts weiter. Ich war recht stolz darauf, und gerade als ich der kleinen Puppe von meinem letzten Missgeschick im Puppentheater erzählen wollte, hat es mich angeschaut und gesagt, „danke Seppy! Wie gut, dass du mich gebastelt hast.“ Das hat mich sehr gefreut, weil ich wusste, dass ich es richtig gemacht hatte. Doch just als ich es ganz fest an mein Herz drücken wollte, hat es gemeint, „ich hab’ da nämlich ein Problem ....“.

Ich denke, ich werd’ doch wieder unserer Omama alles erzählen.

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 16.01.2022