Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
12.04.2020

Zurück zur Normalität

Seit einiger Zeit sind wir jetzt allein zu Hause, ohne unsere Omama. Es ist irgendwie schon normal für uns, dass es jetzt so ist. Es ist auch normal, dass wir jetzt für uns selber sorgen und für uns selber kochen.

Omama hat uns viele Rezepte da gelassen. Gestern zum Beispiel gab’s Erdbeerknödel, vom Kasperl höchstpersönlich zubereitet. 

Jetzt ist überhaupt vieles anders als es noch vor kurzem war. Es war normal, dass wir auf den Spielplatz gehen und uns mit anderen treffen konnten, es war normal, dass unsere Omama gekocht hat, und vor allem, dass sie überhaupt hier bei uns war.  

Damals war das normal, und jetzt ist was anderes normal? In der Zeitung lese ich auch immer wieder „zurück zur Normalität“ oder so was Ähnliches. Aber was ist denn jetzt in echt normal?

Hm, ich glaub’ ich werde doch wieder mal Omama anrufen, und zwar sofort.

„Hallo Omama!“ hab’ ich grad’ ins Telefon hinein gerufen und prompt kommt die Antwort zurück. „Warum rufst du denn jetzt schon an? Das ist doch nicht normal!“ Omama war sehr erstaunt, dass ich mich so früh am Morgen schon melde. „Was ist denn los, Seppy?“  „Naja, ich wollte fragen wollte, ob du weißt, was normal ist.“ „Seppy bitte stell’ mir um diese Zeit nicht so schwierige Fragen.“ Und dann hat sie wohl längere Zeit überlegen müssen, weil ich nichts gehört habe.  Schließlich hat sie aber doch geantwortet: „Seppy, normal ist das, woran man sich gewöhnt hat. Es ist etwas, das ruhig dahin plätschert und einfach so ist wie es ist. Aber noch besser: Normalität ist eine gepflasterte Straße, auf der man bequem gehen kann, aber es wachsen keine Bäume drauf. Das hab ich mal irgendwo gelesen. So, und jetzt lass mich meinen Frühstückskaffee trinken.“ Und sie hat aufgelegt. Jetzt weiß ich genau so viel wie vorher. 

Aber was anderes: Die Erdbeerknödel haben wunderbar geschmeckt und ich hab gleich sieben Stück davon gegessen. Das ist doch nicht normal, oder?

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 12.04.2020