Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
06.06.2021

Lass dich drücken

Ich hab schon oft gehört, „lass dich drücken“, wenn sich Leute voneinander verabschieden oder sich begrüßen, kein Griass di oder Pfiat di, kein Servus, Ciao, Tschüss, Baba oder Bussi, sondern einfach „lass dich drücken“. Wenn zum Beispiel Kasperl zu mir sagt „lass dich drücken“, mag ich das gar nicht, denn dann nimmt er mich in den Schwitzkasten, und das ist echt nicht lustig.

Ich bin eigentlich ganz zufällig drauf gekommen, was „lass dich drücken“ in echt bedeutet. Und das war so.

Weil wir seit einiger Zeit endlich wieder auf Spielplätze gehen und im Sandkasten spielen können, hab’ ich kürzlich beschlossen, eine Sandburg zu bauen, das kann ich nämlich besonders gut. Es hatte kurz vorher geregnet, also war der Sand ein bissl nass, und da klappt das Burgbauen noch besser. Ich hab’ also den gatschigen Sand genommen und damit eine wunderschöne Sandburg gemacht mit Toren, Fenstern, Türmchen und einer Burgmauer rundherum mit Zinnen. Gerade als ich mein Kunstwerk bestaunen wollte, kam plötzlich ein Ball geflogen und ist mitten auf meiner Sandburg gelandet. Ich wollte schauen, wem der Ball gehört und ob ich die Burg vielleicht reparieren kann, da kam irgendwer von irgendwo, ist mitten auf meine Burg gesprungen und darauf herumgetrampelt, hat den Ball geschnappt und sich dann schadenfroh lachend aus dem Staub gemacht.

Ich war sowas von enttäuscht und traurig, hab’ geheult wie ein Schlosshund und dabei kräftig gerotzelt. Ich wollte ganz schnell nach Hause laufen, da hat’s mich auch noch hingeprackt, so dass ich mir die Knie aufgeschürft hab’. Daheim hat mich Omama kurz angeschaut, mich mitsamt meinen gatschigen Händen, der rotzigen Nase und den aufgeschürften Knien ganz fest in die Arme genommen und tröstend gesagt „Komm her! Lass dich drücken“. Und jetzt weiß ich, was es bedeutet: Alles wird wieder gut, hab’ dich lieb!

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 06.06.2021