Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
12.07.2020

Die alte Schildkröte

Kasperl und ich wohnen schon immer und ewig bei unserer Omama in ihrem alten Haus mit dem alten Garten und den uralten Bäumen. Nicht nur Haus und Bäume sind alt, auch die Omama ist alt. Aber sie sagt, dass man im Herzen immer jung bleiben kann, man muss sich nur bemühen.

Sie hat  immer ein offenes Herz und ein offenes Ohr für uns und ihr Haus ist offen für alle. Nur der Gemüsegarten ist nicht offen, den muss ich jeden Abend zumachen wegen der Hasen, die im Gemüsebeet nicht sehr willkommen sind. Kürzlich aber ist das Gartentürl in der Früh doch offen gestanden und ich hab nachgeschaut, was denn da passiert sein könnte. Ach du Schreck, die Karotten waren zur Hälfte weggeknabbert, der Salat war verschwunden und auch das Kräuterbeet war ziemlich durcheinander gewühlt. „Die Hasen, diese Gfraster!“ hab ich vor mich hingemurrt und mich auf einen Stein gesetzt.  In der Aufregung hab ich nicht bemerkt, dass der Stein am Vortag noch gar nicht da gewesen war, und noch aufgeregter war ich, als sich der Stein plötzlich bewegt hat. Vor lauter Schreck bin ich gleich runter gesprungen, aber was ich dann gesehen hab, das war so richtig alt. Ich hab in ein verschrumpeltes Gesicht gesehen, das mich mit dunklen Augen angefunkelt hat, die Beine waren verdreht und verknorpelt, und dann hat dieses uralte Gesicht zu mir gesagt „Entschuldige, ich war hungrig und hab das Gemüse aufschnabuliert. Ich bin müde und möchte schlafen.“ Jetzt erst habe ich gesehen, dass es eine große Schildkröte war. Ich hab zu ihr gesagt, dass sie ganz schnell mitkommen muss, damit ich sie unserer Omama vorstellen kann. „Schnell, das Wort kenne ich nicht, ich war stets langsam und jetzt bin ich noch dazu alt.“ Wie alt sie denn ist, wollte ich wissen. „Ich bin fast hundert“ hat sie gesagt. Hundert? Also, das ist wirklich alt, oder?

 

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Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 12.07.2020