Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
05.12.2021

Das Wollknäuel

Manchmal weiß ich echt nicht weiter. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen, so durcheinander bin ich. Mal fühl’ ich mich echt cool und glaub’, dass ich der Beste, Schönste und Lustigste bin. Im nächsten Augenblick fühle ich mich klein und unwichtig, und vor allem gar nicht witzig.

Kasperl, sonst ein echtes Plappermaul, ist auch sprachlos, weil’s momentan überall eckt, und manche Freunde melden sich gar nicht mehr. Da fallen mir dann Dinge ein, die ich vielleicht hätte anders machen sollen, oder war es doch richtig? Omama baut uns zwar immer wieder auf, aber ich merke, dass auch sie viel nachdenkt.

Oft erinnere ich mich an schöne Zeiten, dann fällt mir wieder was ein, das nicht so gut war. Einmal möchte ich darüber reden, dann wieder nicht. Ich glaube, ich hab’ irgendwie einen verwurschtelten Knoten in meinen Gefühlen.

Das war wohl wieder einmal Gedankenübertragung. Denn kaum hatte ich an mein verknotetes Hirn gedacht, hat mir Omama ein ziemlich verheddertes Wollknäuel in die Hand gedrückt. Was ich damit soll, wollte ich wissen. „Seppy, stell’ dir vor, das bist du mit deinen Gedanken. Und dann versuch’, das Knäuel zu entwirren, egal wie lange es dauert. Du wirst sehen, es geht dir nachher besser.“ .

Ich habe mich echt lang damit beschäftigt, die Wolle zu entflechten, aber ein Knoten war sehr hartnäckig. Da hab’ ich eine Schere genommen und wollte den Faden abschneiden. „Halt!“, hat Omama gerufen „mach’ so etwas niemals!“

Warum denn? Ich könnte den Faden ja wieder zusammenbinden.

„Sicher könntest du das, aber denk’ immer daran: ein Knoten bleibt trotzdem!“.

Also, wenn ihr diese Geschichte lest, bin ich wahrscheinlich noch immer beim Entwurschteln.

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 05.12.2021