Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
04.04.2021

Das Versöhnungsglas

Man sagt, der Osterhase bemalt die Ostereier und versteckt sie dann. Aber ich hab’ noch nie einen Hasen mit Farben oder Pinsel gesehen. Zählen kann der Osterhase anscheinend auch, denn in unseren Osternestern sind immer gleich viele Eier drin, so dass wir uns nicht zanken müssen.

Jedenfalls haben Kasperl, der Drache Basti und ich die gut versteckten Osternesterl gefunden und sie stolz nach Hause getragen.

Omama hat inzwischen daheim die Osterjause hergerichtet mit ihren berühmten Köstlichkeiten: bunte Salate, feine Aufstriche und selbst gebackenes Brot, dazu wunderbaren Frühlingskräutertee mit Honig.

Was ganz besonders Feines war auch dabei, nämlich in Gläser eingelegte süßsaure Kürbiswürferl, Omamas geheime Spezialität.

Wir sind also heim gekommen, die Osterjause war auf einem Tablett zurecht gerichtet und ist schon auf dem Tisch gestanden.

Aber vor dem Essen mussten wir unbedingt noch Eier pecken, und da ist es passiert. Ich hab mit meinem Ei zufällig gewonnen und Basti, der nicht gerne verliert, hat gleich zu trenzen begonnen und lauthals losgeheult. Kasperl hat mich angerempelt und gesagt, „du hast geschummelt! Du hast das Ei ganz schief gehalten, ich hab’s genau gesehen!“. Dann ist es richtig los gegangen. Wir haben uns gegenseitig angeschrien und uns schließlich alles Mögliche vorgeworfen, was mit dem Eierpecken gar nichts mehr zu tun hatte.

Da ist es Omama zu bunt geworden, sie  hat das Tablett geschnappt und die Osterjause wieder weg getragen. Dann hat sie ein leeres Glas auf den Tisch gestellt mit den Worten „So, das ist ein Versöhnungsglas! Nehmt jeder einen oder mehrere Zettel und schreibt gefälligst etwas Schönes drauf. Und dann hier herein damit!“.

Das hat Omama wirklich klug eingefädelt, denn nachdem wir alle Botschaften gelesen hatten, waren wir wieder gut miteinander.

Soll ich euch was verraten? Auf den Zetterln stand ganz oft das Wort „Liebe“.

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 04.04.2021