Seppy's Blog

Geschichten von Christa Koinig - erscheinen jeden Sonntag im Kurier
13.11.2022

Bis in alle Ewigkeit

Manchmal muss ich mich in unserer Puppenwerkstatt behandeln lassen, wenn zum Beispiel mal ein Stückerl vom Ohr abgebrochen ist oder meine Sommersprossen erneuert werden müssen. Da treffe ich dann auf viele andere Puppen und Figuren, die repariert, geheilt oder einfach nur verschönert werden. Und da hab’ ich sie kennengelernt, die Wunderbarste, die Beste, die Eine.

Aber, und das hat mich zunächst ein wenig stutzig gemacht, diese schöne Puppe war fast hundert Jahre älter als ich. Bald war mir das aber sowas von egal, ich hab’ mich einfach verknallt in sie. Es war mir auch wurscht, dass sie mich kaum beachtet hat, und als sie eines Tages wieder abgeholt wurde, war ich sehr traurig. Da hab’ ich mir vorgenommen, ich schreib’ ihr einfach einen Brief, nämlich wie sehr ich sie vermisse und dass ich sie bis in alle Ewigkeit lieben werde.  

Ja, das hätte ich mir so gedacht. Ich hab’ nämlich unserer Omama ein paar Zeilen vorgelesen und sie hat mich gefragt, „weißt du überhaupt, wie lange die Ewigkeit dauert?“ Ich wollte grad’ sagen, dass ich es eigentlich nicht so genau weiß, als sie weiter meinte „und weißt du überhaupt, was das bedeutet?“ Nein, eigentlich nicht. Ich weiß nur, dass ich gerade jetzt in diesem Augenblick so fühle und dass ich ganz sicher bin, dass das noch lange Zeit so sein wird. Darauf sagte Omama, „Seppy, eine lange Zeit ist keine Ewigkeit. Ewig bedeutet, dass etwas immer war und immer sein wird, keinen Anfang und kein Ende hat, es ist wie eine Uhr ohne Zeiger. Und wenn du versprichst, dass du jemanden ewig lieben wirst, dann ist das ein Versprechen, das du nicht halten kannst. Und das solltest du niemals tun.“

Euer Seppy

Text von Christa Koinig, erschienen im Kurier am 13.11.2022